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Gespenstische Leere

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Wenn sich die Ägypter davon überzeugen wollten, was geblieben ist von den Freiheiten, die sie sich in ihrer Revolution erkämpft hatten, sie mussten am Sonntag nur versuchen, auf den Tahrir-Platz zu gelangen. Vor genau vier Jahren hatten dort mit einem Tag des Zorns jene Proteste begonnen, die 17 Tage später den langjährigen autoritären Machthaber Hosni Mubarak zum Rücktritt zwangen. Panzer und Polizisten riegeln nun den damaligen Brennpunkt weiträumig ab, allenfalls vom Vorgarten des Ägyptischen Museums lässt sich ein Blick auf den gespenstisch leeren Platz erhaschen. Schon in den Tagen zuvor hatten die Sicherheitskräfte mit brutaler Gewalt jeden Protest verhindert.



Am Jahrestag der Revolution von 2011 versperrten Panzer den Zugang zum Tahir-Platz in Ägyptens Hauptstadt Kairo.

Am Samstag versucht ein Häuflein von vielleicht drei, vier Dutzend Aktivisten der linken Sozialistischen Volksallianz zum Platz zu gelangen, der zu der Zeit noch nicht gesperrt ist. Sie rufen die Parolen der Revolution von 2011 und wollen Blumen zum Gedenken an die Märtyrer niederlegen. Dann schießen plötzlich schwarz uniformierte und maskierte Polizisten mit Tränengas und Schrotkugeln auf den friedlichen Protestzug, wie Augenzeugen berichten. Schaimaa al-Sabbagh, 34 Jahre alt, Parteimitglied und Journalistin, wird getroffen; sie blutet im Gesicht, bricht nach kurzer Zeit zusammen. Auf dem Weg ins Krankenhaus stirbt die Mutter eines fünfjährigen Sohnes. Das Innenministerium freilich weist jede Verantwortung zurück.

„Ihr Verbrechen war, dass sie Blumen niederlegen wollte“, sagt Medhat Sahed am Tag danach, ein führender Funktionär der Volksallianz. Zu einer Pressekonferenz hat er Vertreter säkularer und liberaler Parteien um sich geschart, die ihre Solidarität bekunden. Sie sind wütend, werfen der Polizei vor, die Frau gezielt ermordet zu haben. „Es zeigt, wie weit wir uns von den Idealen der Revolution vom 25.Januar entfernt haben, sagt er. Hala Shukrallah, Chefin der von Mohamed el-Baradei gegründeten Verfassungspartei, fragt: „Wie sollen wir in diesem Klima der Angst Parlamentswahlen abhalten? Sollen wir erwarten, dass Wahlen fair verlaufen, die vom gleichen Innenminister organisiert werden, der für den Tod unserer Kinder verantwortlich ist?“

Der Generalstaatsanwalt habe eine Untersuchung des Todesfalls angekündigt, meldet die halbamtliche Zeitung al-Ahram. Doch was von der Justiz zu erwarten ist, darüber machen sich Aktivisten und demokratisch gesinnte Parteien wenig Illusionen: Erst am Freitag hatten Mubaraks Söhne Alaa und Gamal das Gefängnis verlassen. Ein Berufungsgericht hatte Mitte Januar das Urteil gegen sie kassiert; der Korruptionsprozess wird neu aufgerollt. Auch ein anderes Verfahren gegen ihren Vater wegen der Tötung von Demonstranten im Zuge der Revolution war niedergeschlagen worden. Der Generalstaatsanwalt hat in dem Fall das Kassationsgericht angerufen, Ägyptens höchste juristische Instanz.

Doch jene, die 2011 auf dem Tahrir-Platz gegen die Willkür demonstriert haben, erleben eine Restauration des alten Regimes: Minister und Berater Mubaraks kehren in die Entourage von Präsident Abdel Fattah al-Sisi zurück. Zurück ist nach Ansicht von Menschenrechtlern auch der Polizeistaat. Dabei hatte Sisi doch erst am Dienstag in einer Rede zum Tag der Polizei bekräftigt, die Ägypter hätten das Recht zu demonstrieren. Er schränkte jedoch ein, dass man „auch an jene 90 Millionen denken müsse, die essen, trinken und leben wollten, die sich sicher fühlen wollten mit Blick auf ihre Zukunft“. Es ist bezeichnend, dass Staatsmedien diesen Aspekt herausstellten.

In Alexandria wurde am Sonntag ein weiterer Demonstrant getötet. Schon am Freitag war eine 15-Jährige am Rande von Protesten in der Hafenstadt am Mittelmeer umgekommen. Auch sie sollen beide von Schrotkugeln der Polizei getroffen worden sein. Beide Male demonstrierten offenbar Anhänger der verbannten Muslimbruderschaft. Am Abend eskalierten dann die Auseinandersetzungen im Kairoer Stadtteil Matariya. Von landesweit mindestens 14 Toten war zunächst die Rede.

In Ägypten galt am Sonntag Staatstrauer. Gedacht wurde aber nicht Schaimaa al-Sabbaghs, der getöteten Landsleute oder der 800 Menschen, die 2011 in den Tagen der Revolution ihr Leben verloren. Betrauert wurde der Tod des saudischen Monarchen Abdullah.

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