Dorothee Bär hat drei kleine Kinder im Alter zwischen zwei und acht Jahren – und einen Traum. Die Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium wünscht sich, ihre zwei Töchter und ihren Sohn eines nicht allzu fernen Tages ins Auto setzen zu können und das Fahrzeug dann so zu programmieren, dass es das eine Kind zum Fußball, das andere zum Handball und das dritte in die Musikschule fährt. Anschließend bringt das Auto die Kinder wieder nach Hause. Ganz von allein – und ganz sicher.
So sieht Daimlers Version der Zukunft aus. Bald sollen solche automonen Mobile in Deutschland getestet werden. Verkehrsminister Dobrindt will einen Teil der A 9 zur Teststrecke ausrüsten.
Was sich anhört wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film, ist eine Vision, die nicht nur Bär, sondern auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (beide CSU) ernsthaft verfolgen. Noch in diesem Jahr will Dobrindt damit beginnen, im Rahmen eines Pilotprojekts ein Teilstück der Autobahn A 9 in Bayern so zu digitalisieren und auszurüsten, dass eine Kommunikation von Fahrzeug zu Straße sowie von Fahrzeug zu Fahrzeug möglich wird. Eines Tages könnten dort „Fahrzeuge mit Assistenzsystemen und später auch voll automatisierte Fahrzeuge fahren“, kündigte der Minister jetzt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an. Das langfristige Ziel, wobei die Betonung auf „langfristig“ liegt, sei „die komplett vernetzte Straße“, sagt Bär. „Das bedeutet: mehr Verkehrssicherheit, besserer Verkehrsfluss, weniger Schadstoffe und eine Entlastung des Fahrers.“
Das Projekt ist mehr als Spielerei: Verkehrsprognosen zeigen, dass der Verkehr in Deutschland deutlich zunehmen wird. Um die zu erwartenden Verkehrsströme bewältigen zu können, müsste sehr viel mehr Geld als bislang in den Ausbau der Infrastruktur investiert werden – doch Geld ist bekanntlich knapp. Eine andere Möglichkeit wäre, die Effizienz auf den bestehenden Strecken zu erhöhen, also den Verkehr flüssiger zu machen und Staus zu vermeiden. Digitale Kommunikationssysteme eröffnen da nach Meinung des Verkehrsministeriums ganz neue Möglichkeiten: So können Messstationen Informationen sammeln über den aktuellen Zustand der Straße, beispielsweise wie nass sie ist, wie glatt oder ob sich Schlaglöcher gebildet haben. Diese Informationen können sie an die sich nähernden Autos senden. Auch können sich die Autos gegenseitig informieren, beispielsweise über bevorstehende Staus.
Dobrindt ist überzeugt: „Das selbstfahrende Auto wird sich durchsetzen.“ Denn damit ließen sich „begrenzte Infrastruktur-Kapazitäten sehr viel effektiver nutzen“.
Für den Minister geht es also um Infrastrukturen. Die deutsche Autoindustrie ist dagegen der Meinung, dass es hier um nicht weniger als um ihre Zukunft geht. Als der IT-Konzern Google im vergangenen Jahr sein erstes selbstfahrendes Auto präsentierte, löste das bei den Herstellern so etwas wie ein Google-Trauma aus. Auch wenn die kleinen Kugeln noch nicht aussehen wie richtige Autos, sondern wie Designer-Salzstreuer oder halbierte Eierschalen, so war doch klar: Die können jetzt auch so etwas wie Autos bauen. Und technologisch sind sie ziemlich weit vorne, auch wenn man bisher nur Google-Autos in einer Google-Welt auf Google-Straßen sieht.
Von Stuttgart über München und Ingolstadt bis Wolfsburg arbeiten die Konzerne nun auf Hochtouren an eigenen Fahrzeugen, die in ein paar Jahren vieles alleine können sollen. Heute geht es um Abstandhalter, Bremsassistenten und Spurwechselwarner. Von 2016 an könnte es technisch möglich sein, das Auto alleine in die vernetzte Parkgarage zu schicken. Irgendwann nach 2020 oder 2025 soll dann das voll automatisierte Fahren kommen: das vernetzte Auto als von Sensoren, Kleinkameras und Minicomputern gesteuertes Fortbewegungsmittel. Der Fahrer dann auf dem Rücksitz, E-Mails lesend.
In Nevada und Kalifornien können Googles selbstfahrende Vehikel getestet werden. Was die deutsche Industrie seit Langem fordert, ist: mehr Spielraum für die neuen Projekte auch in Deutschland. „Insbesondere die USA sind uns da in mancher Hinsicht voraus“, fürchtet VW-Chef Martin Winterkorn. Wie sich das auf den Automobilstandort Deutschland auswirke, sei noch offen. Aber: „Ein Vorteil ist es ganz sicher nicht.“ Wird man nun abgehängt?
Bereits im November 2013 hatte das Ministerium einen runden Tisch „Automatisiertes Fahren“ eingerichtet, dem unter anderem Vertreter der Automobilindustrie, der Versicherungswirtschaft sowie der Forschung angehören. Er dient dazu, herauszufinden, ob und wie sich das automatisierte Fahren in Deutschland realisieren lässt. Damit ist auch die Hoffnung verbunden, dass automatisierte Systeme einen wesentlichen Beitrag dazu liefern, „Fahrfehler aufzufangen und den Fahrer zu entlasten“.
Noch sind die Überlegungen zu dem Pilotprojekt auf der A 9 allerdings nicht allzu weit fortgeschritten. Fest steht nur, dass der Test auf einer Teilstrecke „der hochbelasteten überregionalen Autobahn“ stattfinden soll. Noch in diesem Jahr soll damit begonnen werden, erste Messsysteme entlang der Strecke zu installieren. Autofahrer müssen aber noch lange nicht damit rechnen, dass vor, neben oder hinten ihnen plötzlich ein fahrerloses Auto auftaucht.
Erst einmal müssen Autohersteller und Versicherer klären, wer im Falle eines Unfalls wie genau haftet. Je nachdem, wie diese Einigung aussieht, könne es dann sein, dass die Tests auf der A 9 gar nicht im Normalbetrieb stattfänden, sondern dass dafür eine Spur gesperrt werde oder die fahrerlosen Autos beispielsweise nur nachts auf einem kurzen Stück eingesetzt würden, heißt es im Ministerium.
Das Tempo wird vorgegeben: Google will schon im Frühjahr eine eigene Testflotte von 150 Autos auf die Straße schicken. Die Technologie kommt – unter anderem – ausgerechnet aus Deutschland. Conti, Bosch und ZF Lenksysteme – drei alte Zulieferer sind schon in der neuen Welt angekommen. Um zu zeigen, dass man dabei ist, brachten die deutschen Hersteller bei der Elektronikmesse CES in Las Vegas neulich ihre Ideen auf die Bühne. Eine Menge Konzeptautos, futuristische Studien wie der Mercedes F 015 mit Gestik- und Blicksteuerung. Wann aus der Lounge-Limousine der Stuttgarter ein Fall für Dobrindts A9 wird, wissen auch die Konzerne nicht. Man plant, ohne genau zu wissen, für wann.
Nur so viel: Kaum waren die Dobrindt-Pläne am Montag bekannt, sendete der Daimler-Konzern eine Pressemeldung nach draußen. Überschrift: „Wir können alles – auch autonomes Fahren!"
So sieht Daimlers Version der Zukunft aus. Bald sollen solche automonen Mobile in Deutschland getestet werden. Verkehrsminister Dobrindt will einen Teil der A 9 zur Teststrecke ausrüsten.
Was sich anhört wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film, ist eine Vision, die nicht nur Bär, sondern auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (beide CSU) ernsthaft verfolgen. Noch in diesem Jahr will Dobrindt damit beginnen, im Rahmen eines Pilotprojekts ein Teilstück der Autobahn A 9 in Bayern so zu digitalisieren und auszurüsten, dass eine Kommunikation von Fahrzeug zu Straße sowie von Fahrzeug zu Fahrzeug möglich wird. Eines Tages könnten dort „Fahrzeuge mit Assistenzsystemen und später auch voll automatisierte Fahrzeuge fahren“, kündigte der Minister jetzt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an. Das langfristige Ziel, wobei die Betonung auf „langfristig“ liegt, sei „die komplett vernetzte Straße“, sagt Bär. „Das bedeutet: mehr Verkehrssicherheit, besserer Verkehrsfluss, weniger Schadstoffe und eine Entlastung des Fahrers.“
Das Projekt ist mehr als Spielerei: Verkehrsprognosen zeigen, dass der Verkehr in Deutschland deutlich zunehmen wird. Um die zu erwartenden Verkehrsströme bewältigen zu können, müsste sehr viel mehr Geld als bislang in den Ausbau der Infrastruktur investiert werden – doch Geld ist bekanntlich knapp. Eine andere Möglichkeit wäre, die Effizienz auf den bestehenden Strecken zu erhöhen, also den Verkehr flüssiger zu machen und Staus zu vermeiden. Digitale Kommunikationssysteme eröffnen da nach Meinung des Verkehrsministeriums ganz neue Möglichkeiten: So können Messstationen Informationen sammeln über den aktuellen Zustand der Straße, beispielsweise wie nass sie ist, wie glatt oder ob sich Schlaglöcher gebildet haben. Diese Informationen können sie an die sich nähernden Autos senden. Auch können sich die Autos gegenseitig informieren, beispielsweise über bevorstehende Staus.
Dobrindt ist überzeugt: „Das selbstfahrende Auto wird sich durchsetzen.“ Denn damit ließen sich „begrenzte Infrastruktur-Kapazitäten sehr viel effektiver nutzen“.
Für den Minister geht es also um Infrastrukturen. Die deutsche Autoindustrie ist dagegen der Meinung, dass es hier um nicht weniger als um ihre Zukunft geht. Als der IT-Konzern Google im vergangenen Jahr sein erstes selbstfahrendes Auto präsentierte, löste das bei den Herstellern so etwas wie ein Google-Trauma aus. Auch wenn die kleinen Kugeln noch nicht aussehen wie richtige Autos, sondern wie Designer-Salzstreuer oder halbierte Eierschalen, so war doch klar: Die können jetzt auch so etwas wie Autos bauen. Und technologisch sind sie ziemlich weit vorne, auch wenn man bisher nur Google-Autos in einer Google-Welt auf Google-Straßen sieht.
Von Stuttgart über München und Ingolstadt bis Wolfsburg arbeiten die Konzerne nun auf Hochtouren an eigenen Fahrzeugen, die in ein paar Jahren vieles alleine können sollen. Heute geht es um Abstandhalter, Bremsassistenten und Spurwechselwarner. Von 2016 an könnte es technisch möglich sein, das Auto alleine in die vernetzte Parkgarage zu schicken. Irgendwann nach 2020 oder 2025 soll dann das voll automatisierte Fahren kommen: das vernetzte Auto als von Sensoren, Kleinkameras und Minicomputern gesteuertes Fortbewegungsmittel. Der Fahrer dann auf dem Rücksitz, E-Mails lesend.
In Nevada und Kalifornien können Googles selbstfahrende Vehikel getestet werden. Was die deutsche Industrie seit Langem fordert, ist: mehr Spielraum für die neuen Projekte auch in Deutschland. „Insbesondere die USA sind uns da in mancher Hinsicht voraus“, fürchtet VW-Chef Martin Winterkorn. Wie sich das auf den Automobilstandort Deutschland auswirke, sei noch offen. Aber: „Ein Vorteil ist es ganz sicher nicht.“ Wird man nun abgehängt?
Bereits im November 2013 hatte das Ministerium einen runden Tisch „Automatisiertes Fahren“ eingerichtet, dem unter anderem Vertreter der Automobilindustrie, der Versicherungswirtschaft sowie der Forschung angehören. Er dient dazu, herauszufinden, ob und wie sich das automatisierte Fahren in Deutschland realisieren lässt. Damit ist auch die Hoffnung verbunden, dass automatisierte Systeme einen wesentlichen Beitrag dazu liefern, „Fahrfehler aufzufangen und den Fahrer zu entlasten“.
Noch sind die Überlegungen zu dem Pilotprojekt auf der A 9 allerdings nicht allzu weit fortgeschritten. Fest steht nur, dass der Test auf einer Teilstrecke „der hochbelasteten überregionalen Autobahn“ stattfinden soll. Noch in diesem Jahr soll damit begonnen werden, erste Messsysteme entlang der Strecke zu installieren. Autofahrer müssen aber noch lange nicht damit rechnen, dass vor, neben oder hinten ihnen plötzlich ein fahrerloses Auto auftaucht.
Erst einmal müssen Autohersteller und Versicherer klären, wer im Falle eines Unfalls wie genau haftet. Je nachdem, wie diese Einigung aussieht, könne es dann sein, dass die Tests auf der A 9 gar nicht im Normalbetrieb stattfänden, sondern dass dafür eine Spur gesperrt werde oder die fahrerlosen Autos beispielsweise nur nachts auf einem kurzen Stück eingesetzt würden, heißt es im Ministerium.
Das Tempo wird vorgegeben: Google will schon im Frühjahr eine eigene Testflotte von 150 Autos auf die Straße schicken. Die Technologie kommt – unter anderem – ausgerechnet aus Deutschland. Conti, Bosch und ZF Lenksysteme – drei alte Zulieferer sind schon in der neuen Welt angekommen. Um zu zeigen, dass man dabei ist, brachten die deutschen Hersteller bei der Elektronikmesse CES in Las Vegas neulich ihre Ideen auf die Bühne. Eine Menge Konzeptautos, futuristische Studien wie der Mercedes F 015 mit Gestik- und Blicksteuerung. Wann aus der Lounge-Limousine der Stuttgarter ein Fall für Dobrindts A9 wird, wissen auch die Konzerne nicht. Man plant, ohne genau zu wissen, für wann.
Nur so viel: Kaum waren die Dobrindt-Pläne am Montag bekannt, sendete der Daimler-Konzern eine Pressemeldung nach draußen. Überschrift: „Wir können alles – auch autonomes Fahren!"