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Tsipras schließt Bündnis mit den Rechten

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In Athen ist am Montag der Sieger der Parlamentswahl, der 40-jährige Linkspolitiker Alexis Tsipras, als neuer Regierungschef vereidigt worden. Er wird künftig mit einer in Europa bisher einmaligen Koalition regieren. Seine Linksallianz Syriza hat sich überraschend schnell mit den griechischen Rechtspopulisten von Panos Kammenos, 49, auf ein Bündnis verständigt. Die nationalistische Kleinpartei hilft der Linken, die mit 149 Sitzen die absolute Mehrheit in dem 300-köpfigen Parlament verfehlte, mit ihren 13Abgeordneten an die Macht.

Beide Parteien verbindet die entschiedene Gegnerschaft zu den Sparbeschlüssen des abgelösten konservativen Premiers Antonis Samaras. Ansonsten klaffen zwischen Syriza und den „Unabhängigen Griechen“ (Anel) von Kammenos, der früher zur Samaras-Partei gehörte, tiefe ideologische Gräben. Im Wahlkampf forderte Anel, Migranten auszuweisen, die sich illegal im Land aufhalten. Syriza ist dagegen für Integration. Im Streit mit der Türkei um Hoheitsrechte in der Ägäis ist Anel ebenfalls für eine harte Linie. Parteigründer Kammenos hat zudem angeregt, Griechenland könne sich Kredite in Russland besorgen, wenn die EU dem Land nicht helfe.



Linkspolitiker Alexis Tsipras, der neue Regierungschef Griechenlands, will ausgerechnet mit den Rechtspopulisten um Panos Kammenos koalieren.


Tsipras sagte vor seinen Anhängern am Sonntagabend in Athen, Griechenland werde nun die Sparpolitik hinter sich lassen. „Es wird weder einen katastrophalen Zusammenbruch geben, noch wird ein fortwährendes Katzbuckeln akzeptiert werden“, sagte Tsipras. An diesem Dienstag soll das neue Kabinett vereidigt werden.

Die Pläne der Euro-Staaten für eine weitere wirtschaftliche Stabilisierung Griechenlands könnten nach dem Sieg von Syriza scheitern. Aus Kreisen der EU-Mitgliedsländer verlautete, der Stufenplan für einen Ausstieg des Landes aus der Abhängigkeit von den Nachbarn sei kaum noch realistisch. Wenn die Griechen auch unter Tsipras Mitglied der Euro-Zone bleiben wollten, bleibe ihnen kaum eine andere Wahl, als ein weiteres volles Hilfsprogramm zu beantragen. Es wäre nach den zwei bisherigen Paketen im Gesamtumfang von 240 Milliarden Euro bereits das dritte.

Eine solche Entscheidung hätte nicht nur für Tsipras unangenehme Folgen, sondern auch für seine künftigen Kollegen, unter ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der neue Athener Regierungschef hatte im Wahlkampf versprochen, die Reformauflagen von EU und Internationalem Währungsfonds zu beseitigen. Benötigte er nun zusätzliche Kredite, kämen stattdessen wohl sogar neue Auflagen hinzu. Merkel und einige weitere Regierungschefs müssten ein drittes Programm ihrerseits ihren nationalen Parlamenten zur Abstimmung vorlegen. Nach Tsipras’ Wahlsieg ist die Bereitschaft, weiteren Darlehen zuzustimmen, jedoch insbesondere in Merkels Unionsfraktion gering.

Nach den bisherigen Plänen der Euro-Staaten sollte die griechische Regierung ihren Kapitalbedarf von diesem Jahr an wieder über die privaten Finanzmärkte decken. Um den Übergang abzufedern, hatten sich die Partnerländer bereit erklärt, zusätzlich eine sogenannte vorbeugende Kreditlinie, also eine Art Dispo-Kredit, zur Verfügung zu stellen. Dieses Konzept wird aber kaum aufgehen, weil die Zinsen, die Griechenland privaten Geldgebern zahlen müsste, bereits vor Tsipras’ Wahlsieg wieder in die Höhe geschossen waren.

Die Bundesregierung bot der neuen Regierung eine Zusammenarbeit an, doch müsse Tsipras alle Verpflichtungen erfüllen, die seine Vorgänger im Amt eingegangen seien. Ähnlich äußerte sich Frankreichs Präsident François Hollande, der Tsipras telefonisch einlud, nach Paris zu kommen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte in der ARD, ein Schuldenschnitt für Griechenland stehe derzeit nicht zur Debatte.

Europakritische Parteien begrüßten den Sieg Syrizas. Sie freue sich über die „gigantische demokratische Ohrfeige“ für die Europäische Union, sagte Marine Le Pen, Chefin des französischen Front National. Der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke kommentierte: „Ein Schuldenschnitt für Griechenland muss sein – insoweit hat Syriza völlig recht.“ Allerdings müsse das Land dann auch aus dem Euro austreten.

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