Pier Carlo Padoan steigt am 22. Februar 2014 in Sydney in den Flieger. Überstürzt reist der Ökonom aus Australien ab. Trotzdem trifft er zu spät in Rom zur Vereidigung des italienischen Kabinetts ein. Der neue Regierungschef Matteo Renzi hatte seinen Finanzminister in spe 23000 Kilometer entfernt am Pazifischen Ozean auf dem G-20-Finanzgipfel aufgespürt. Dort stellte Padoan als Vizechef der Organisation der 34 führenden Industrieländer gerade den druckfrischen OECD-Bericht vor. In der italienischen Hauptstadt wartet auf ihn eine Schlüsselrolle beim Versuch, Europas größtes und unbeweglichstes Krisenland aus dem Sumpf zu ziehen.
Zeit für Italiens Premier Matteo Renzi, dass es im Land wieder aufwärts geht.
Ein Jahr nach dem Seitenwechsel empfängt Pier Carlo Padoan seinen damaligen Chef in Rom. OECD-Generalsekretär José Angel Gurría stellt im Finanzministerium den Italien-Bericht 2015 vor. Nach kurzem Vorgeplänkel kommt er zur Sache: den Reformanstrengungen der römischen Regierung. Mitten in seiner Detailanalyse fallen drei bemerkenswerte Worte: „Italien ist zurück“, sagt Gurría.
Er sitzt neben Padoan hinter einem acht Meter langen ovalen Tisch, der mit rotem Plüsch überzogen ist. Der Saal ist rappelvoll. Die Luft unter hohen Deckenfresken stickig. Doch was hier gesagt wird, ist erfrischend. Zu hören gibt es Sätze, auf die man seit Jahren vergebens gewartet hat. Wie diesen: „Italien schreitet auf einem beispiellosen Reformpfad voran, der nicht nur Wachstum und Beschäftigung ankurbeln wird“, sagt Gurría. Weil Italien ein Kernland sei, werden seine Fortschritte das Vertrauen auch auf europäischer Ebene erhöhen. „Es war großer politischer Mut nötig, um die Agenda voranzutreiben“, lobt Gurría Renzis Team.
Die Experten in Paris berechneten den kombinierten Effekt ihrer Reformen auf die italienische Wirtschaft. In zehn Jahren könnten sie ein zusätzliches Wachstum von sechs Prozent auslösen, schätzen sie. Die Maßnahmen müssen allerdings unverzüglich und vollständig umgesetzt werden, mahnte der OECD-Chef am Donnerstag in Rom. Am Tag darauf verkündet Salvatore Rossi, Generaldirektor der italienischen Zentralbank, seine frohe Botschaft.
Nach drei Jahren tiefer Rezession werde Italien im laufenden Quartal erstmals ein kleines Plus bei der Wirtschaftsleistung verbuchen. „Wir sind am Wendepunkt angekommen“, konstatiert Rossi.
Wenige Stunden später stimmt eine strenge Kritikerin der Euro-Problemländer in das neue Lied ein. Wenn auch betont verhalten. Italiens Wirtschaft fange sich wieder, bemerkt die amerikanische Ratingagentur Moody’s. Zwar sei in den kommenden Jahren nur mit schwachem Wachstum zu rechnen. Aber immerhin: „Die Strukturreformen werden wahrscheinlich weiter vorankommen und positive Auswirkungen auf die Wirtschaft und das Geschäftsumfeld haben“, heißt es in dem Moody’s-Bericht. Die verbesserten Wachstumsaussichten führten wiederum zu einem graduellen Abbau der erdrückenden Schuldenlast, dem Albtraum der Italiener. Die Aktienmärkte reagierten positiv.
Wie das Land aus seiner Erstarrung erlöst wird, erlebte man kurz zuvor. Italiens Chef-Antreiber Renzi stürmte in den Pressesaal des Regierungsamts. „Auf diesen Tag hat eine ganze Generation seit vielen Jahren gewartet“, sagt der Premier. Er verkündet, dass sein Kabinett soeben ein längst überholtes Modell des Arbeitsrechts „verschrottet“ habe. Ein rigider Kündigungsschutz wurde kassiert. Mit neuen, flexibleren Verträgen für Festanstellungen sagte man der ungezügelten Ausbreitung des Prekariats den Kampf an und führte zudem eine soziale Absicherung bei Jobverlust ein. Die Regierung zerschlug damit einen Pakt, der die Unkündbarkeit fester Mitarbeiter mit der totalen Schutzlosigkeit einer Generation hyperflexibler Jobber erkaufte. Sie stellen 85 Prozent der neuen Arbeitsverhältnisse in Italien. Renzi konnte damit zwei zentrale Bestimmungen seines Jobs Act endgültig abhaken. „Den Unternehmern sage ich: Ihr habt jetzt kein Alibi mehr“, nahm er sogleich die Wirtschaft in die Pflicht. Gerechnet hatte die Industrielobby bis zur letzten Minute mit einem Einknicken der Regierung.
Nun bejubelt der Unternehmerverband Confindustria, dass nicht nur Zugeständnisse ausgeblieben sind, sondern dass die Gesetzesbestimmungen sogar in technischen Aspekten verbessert wurden. „Das bestätigt konkret den Willen der Regierung, den Lauf der Dinge im Land zu ändern“, kommentierte die Confindustria. Das Kabinett hatte sich über eine Einschätzung des Parlamentsausschusses hinweggesetzt, der Aufweichungen verlangt hatte. Erstmals sei ein Reformversuch ohne Änderungen über die Ziellinie gebracht worden, bemerkte das Mailänder Wirtschaftsblatt Il Sole 24 Ore. Man erinnert in Italien lieber nicht daran, dass das Bemühen um die Modernisierung des Arbeitsmarkts Ökonomen das Leben gekostet hat. Der Arbeitsrechtler und Regierungsberater Massimo D’Antona wurde 1999 in Rom auf offener Straße erschossen. Linke Terroristen streckten 2002 seinen Kollegen Marco Biagi in Bologna nieder.
Nun verändern die neuen Bestimmungen das Klima in den Firmen, meint Bremsenhersteller Alberto Bombassei: „Die Unternehmer scheuen sich nicht mehr, Arbeitsplätze zu schaffen. Nicht wenige kündigen nun Neueinstellungen an.“ Italien hat Glück. Wenn die Regeln am 1. März in Kraft treten, weht endlich ein günstiger Konjunkturwind im Land. Das bedeutet: Die Reformen fallen auf einen fruchtbaren Boden. Im Januar kam aus der Provinz Mailand die wohl am meisten ersehnte Nachricht seit Beginn der Krise vor sieben Jahren: Es wurde ein Boom befristeter Verträge gemeldet. Sie stiegen um 23,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Ausgelöst haben das Jobwunder Steueranreize seit Jahresanfang für Festanstellungen.
Mit dem Regierungserfolg im Rücken geht Finanzminister Padoan nun in die Schlacht in Brüssel, wo er mehr Flexibilität in der Haushaltspolitik erringen will. Im März wird die EU-Kommission den römischen Budgetplan abschließend prüfen. Das Urteil war im Oktober vertagt worden, um Italien Zeit zu geben für Reformen.
Padoan schickte jetzt eine Schätzung der Wachstumseffekte der angekündigten und implementierten Strukturreformen an die Kommissare. Zusammen mit dem Schuldenabbau und den Privatisierungen würden sie die Wirtschaftsleistung Italiens bis 2020 zusätzlich um 3,6 Prozent steigern, rechnet er vor. Nach den bisher eher bescheidenen Privatisierungserlösen von 2,1 Milliarden Euro will der Finanzminister bis Jahresende mit dem Verkauf eines Fünf-Prozent-Anteil des Energieversorgers Enel und mit 49 Prozent der Flugaufsicht Enav Kasse machen. Vor allem aber setzte er die Privatisierung der staatlichen Post auf die Agenda. 40 Prozent des Logistik- und Finanzkonzerns sollen veräußert werden. 2016 sollen die Bahnen folgen.
Dass der Rückzug des Staates bisher nicht flotter war, wurmt ihn. „Mit einer Sache bin ich unzufrieden und das ist das Privatisierungstempo“, sagte er. Die Erlöse müssen dringend helfen, den gigantischen Schuldenberg abzutragen.
Italiens Rekordverbindlichkeiten sind die gefährlichste Bürde des Landes. 2015 müssen die Italiener 260 Milliarden Euro auf dem Markt einsammeln und bleiben damit der größten Emittenten in Europa. Die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank verschafft ihnen etwas Luft. Die Zinsen für die italienischen Staatsanleihen sind 2014 auf den Rekordtiefstand von 1,35 Prozent gefallen. Padoan sparte 40 Milliarden Euro beim Schuldendienst.
Als unbegründet scheint sich die Befürchtung der Kritiker der expansiven Geldpolitik von Mario Draghi zu erweisen. Sobald der Druck der Finanzmärkte auf die Schuldenländer nachlasse, werde der Reformwille bei den Trödlern am Mittelmeer abschlaffen. So lautete über Monate das Killerargument gegen Draghis lockere Geldpolitik. „Wahrscheinlicher ist das Gegenteil“, sagt Fabio Panetta von der römischen Zentralbank. Würde die EZB nicht eine der schwachen Konjunktur angemessene Geldpolitik betreiben, gäbe es weniger Wachstum, mehr Arbeitslose und ein Erstarken der Euro-Gegner quer durch den Kontinent. „Das würde es den europäischen Regierungen nicht einfacher, sondern schwieriger machen, die notwendigen Reformen durchzusetzen.“
Hilfe kann auch Renzi mit seinen Ministern gebrauchen. Ende voriger Woche verabschiedeten sie ein Paket wirtschaftlicher Liberalisierungen. „Nach fünf Jahren ist eine Regierung erstmals ihrer Pflicht nachgekommen, mit einem Wettbewerbsgesetz auf die Hinweise des Kartellamts zu reagieren“, lobte Serena Sileoni vom liberalen Wirtschaftsinstitut Bruno Leoni. Ihr fiel aber auch das Fehlen diverser angekündigter Maßnahmen auf.
Von 50 Artikeln überlebten nur 33 das Kreuzfeuer der mächtigen Lobby-Vertreter. Als Renzi Bilanz seines ersten Regierungsjahres zog, räumte er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Verwaltungsreform ein. Die Entbürokratisierungs-Offensive hängt seit August im Senatsausschuss fest. „Ich wäre da gern schneller vorangekommen. Aber man sieht, dass es da starke Widerstände gibt“, so der Reformer.
Zeit für Italiens Premier Matteo Renzi, dass es im Land wieder aufwärts geht.
Ein Jahr nach dem Seitenwechsel empfängt Pier Carlo Padoan seinen damaligen Chef in Rom. OECD-Generalsekretär José Angel Gurría stellt im Finanzministerium den Italien-Bericht 2015 vor. Nach kurzem Vorgeplänkel kommt er zur Sache: den Reformanstrengungen der römischen Regierung. Mitten in seiner Detailanalyse fallen drei bemerkenswerte Worte: „Italien ist zurück“, sagt Gurría.
Er sitzt neben Padoan hinter einem acht Meter langen ovalen Tisch, der mit rotem Plüsch überzogen ist. Der Saal ist rappelvoll. Die Luft unter hohen Deckenfresken stickig. Doch was hier gesagt wird, ist erfrischend. Zu hören gibt es Sätze, auf die man seit Jahren vergebens gewartet hat. Wie diesen: „Italien schreitet auf einem beispiellosen Reformpfad voran, der nicht nur Wachstum und Beschäftigung ankurbeln wird“, sagt Gurría. Weil Italien ein Kernland sei, werden seine Fortschritte das Vertrauen auch auf europäischer Ebene erhöhen. „Es war großer politischer Mut nötig, um die Agenda voranzutreiben“, lobt Gurría Renzis Team.
Die Experten in Paris berechneten den kombinierten Effekt ihrer Reformen auf die italienische Wirtschaft. In zehn Jahren könnten sie ein zusätzliches Wachstum von sechs Prozent auslösen, schätzen sie. Die Maßnahmen müssen allerdings unverzüglich und vollständig umgesetzt werden, mahnte der OECD-Chef am Donnerstag in Rom. Am Tag darauf verkündet Salvatore Rossi, Generaldirektor der italienischen Zentralbank, seine frohe Botschaft.
Nach drei Jahren tiefer Rezession werde Italien im laufenden Quartal erstmals ein kleines Plus bei der Wirtschaftsleistung verbuchen. „Wir sind am Wendepunkt angekommen“, konstatiert Rossi.
Wenige Stunden später stimmt eine strenge Kritikerin der Euro-Problemländer in das neue Lied ein. Wenn auch betont verhalten. Italiens Wirtschaft fange sich wieder, bemerkt die amerikanische Ratingagentur Moody’s. Zwar sei in den kommenden Jahren nur mit schwachem Wachstum zu rechnen. Aber immerhin: „Die Strukturreformen werden wahrscheinlich weiter vorankommen und positive Auswirkungen auf die Wirtschaft und das Geschäftsumfeld haben“, heißt es in dem Moody’s-Bericht. Die verbesserten Wachstumsaussichten führten wiederum zu einem graduellen Abbau der erdrückenden Schuldenlast, dem Albtraum der Italiener. Die Aktienmärkte reagierten positiv.
Wie das Land aus seiner Erstarrung erlöst wird, erlebte man kurz zuvor. Italiens Chef-Antreiber Renzi stürmte in den Pressesaal des Regierungsamts. „Auf diesen Tag hat eine ganze Generation seit vielen Jahren gewartet“, sagt der Premier. Er verkündet, dass sein Kabinett soeben ein längst überholtes Modell des Arbeitsrechts „verschrottet“ habe. Ein rigider Kündigungsschutz wurde kassiert. Mit neuen, flexibleren Verträgen für Festanstellungen sagte man der ungezügelten Ausbreitung des Prekariats den Kampf an und führte zudem eine soziale Absicherung bei Jobverlust ein. Die Regierung zerschlug damit einen Pakt, der die Unkündbarkeit fester Mitarbeiter mit der totalen Schutzlosigkeit einer Generation hyperflexibler Jobber erkaufte. Sie stellen 85 Prozent der neuen Arbeitsverhältnisse in Italien. Renzi konnte damit zwei zentrale Bestimmungen seines Jobs Act endgültig abhaken. „Den Unternehmern sage ich: Ihr habt jetzt kein Alibi mehr“, nahm er sogleich die Wirtschaft in die Pflicht. Gerechnet hatte die Industrielobby bis zur letzten Minute mit einem Einknicken der Regierung.
Nun bejubelt der Unternehmerverband Confindustria, dass nicht nur Zugeständnisse ausgeblieben sind, sondern dass die Gesetzesbestimmungen sogar in technischen Aspekten verbessert wurden. „Das bestätigt konkret den Willen der Regierung, den Lauf der Dinge im Land zu ändern“, kommentierte die Confindustria. Das Kabinett hatte sich über eine Einschätzung des Parlamentsausschusses hinweggesetzt, der Aufweichungen verlangt hatte. Erstmals sei ein Reformversuch ohne Änderungen über die Ziellinie gebracht worden, bemerkte das Mailänder Wirtschaftsblatt Il Sole 24 Ore. Man erinnert in Italien lieber nicht daran, dass das Bemühen um die Modernisierung des Arbeitsmarkts Ökonomen das Leben gekostet hat. Der Arbeitsrechtler und Regierungsberater Massimo D’Antona wurde 1999 in Rom auf offener Straße erschossen. Linke Terroristen streckten 2002 seinen Kollegen Marco Biagi in Bologna nieder.
Nun verändern die neuen Bestimmungen das Klima in den Firmen, meint Bremsenhersteller Alberto Bombassei: „Die Unternehmer scheuen sich nicht mehr, Arbeitsplätze zu schaffen. Nicht wenige kündigen nun Neueinstellungen an.“ Italien hat Glück. Wenn die Regeln am 1. März in Kraft treten, weht endlich ein günstiger Konjunkturwind im Land. Das bedeutet: Die Reformen fallen auf einen fruchtbaren Boden. Im Januar kam aus der Provinz Mailand die wohl am meisten ersehnte Nachricht seit Beginn der Krise vor sieben Jahren: Es wurde ein Boom befristeter Verträge gemeldet. Sie stiegen um 23,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Ausgelöst haben das Jobwunder Steueranreize seit Jahresanfang für Festanstellungen.
Mit dem Regierungserfolg im Rücken geht Finanzminister Padoan nun in die Schlacht in Brüssel, wo er mehr Flexibilität in der Haushaltspolitik erringen will. Im März wird die EU-Kommission den römischen Budgetplan abschließend prüfen. Das Urteil war im Oktober vertagt worden, um Italien Zeit zu geben für Reformen.
Padoan schickte jetzt eine Schätzung der Wachstumseffekte der angekündigten und implementierten Strukturreformen an die Kommissare. Zusammen mit dem Schuldenabbau und den Privatisierungen würden sie die Wirtschaftsleistung Italiens bis 2020 zusätzlich um 3,6 Prozent steigern, rechnet er vor. Nach den bisher eher bescheidenen Privatisierungserlösen von 2,1 Milliarden Euro will der Finanzminister bis Jahresende mit dem Verkauf eines Fünf-Prozent-Anteil des Energieversorgers Enel und mit 49 Prozent der Flugaufsicht Enav Kasse machen. Vor allem aber setzte er die Privatisierung der staatlichen Post auf die Agenda. 40 Prozent des Logistik- und Finanzkonzerns sollen veräußert werden. 2016 sollen die Bahnen folgen.
Dass der Rückzug des Staates bisher nicht flotter war, wurmt ihn. „Mit einer Sache bin ich unzufrieden und das ist das Privatisierungstempo“, sagte er. Die Erlöse müssen dringend helfen, den gigantischen Schuldenberg abzutragen.
Italiens Rekordverbindlichkeiten sind die gefährlichste Bürde des Landes. 2015 müssen die Italiener 260 Milliarden Euro auf dem Markt einsammeln und bleiben damit der größten Emittenten in Europa. Die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank verschafft ihnen etwas Luft. Die Zinsen für die italienischen Staatsanleihen sind 2014 auf den Rekordtiefstand von 1,35 Prozent gefallen. Padoan sparte 40 Milliarden Euro beim Schuldendienst.
Als unbegründet scheint sich die Befürchtung der Kritiker der expansiven Geldpolitik von Mario Draghi zu erweisen. Sobald der Druck der Finanzmärkte auf die Schuldenländer nachlasse, werde der Reformwille bei den Trödlern am Mittelmeer abschlaffen. So lautete über Monate das Killerargument gegen Draghis lockere Geldpolitik. „Wahrscheinlicher ist das Gegenteil“, sagt Fabio Panetta von der römischen Zentralbank. Würde die EZB nicht eine der schwachen Konjunktur angemessene Geldpolitik betreiben, gäbe es weniger Wachstum, mehr Arbeitslose und ein Erstarken der Euro-Gegner quer durch den Kontinent. „Das würde es den europäischen Regierungen nicht einfacher, sondern schwieriger machen, die notwendigen Reformen durchzusetzen.“
Hilfe kann auch Renzi mit seinen Ministern gebrauchen. Ende voriger Woche verabschiedeten sie ein Paket wirtschaftlicher Liberalisierungen. „Nach fünf Jahren ist eine Regierung erstmals ihrer Pflicht nachgekommen, mit einem Wettbewerbsgesetz auf die Hinweise des Kartellamts zu reagieren“, lobte Serena Sileoni vom liberalen Wirtschaftsinstitut Bruno Leoni. Ihr fiel aber auch das Fehlen diverser angekündigter Maßnahmen auf.
Von 50 Artikeln überlebten nur 33 das Kreuzfeuer der mächtigen Lobby-Vertreter. Als Renzi Bilanz seines ersten Regierungsjahres zog, räumte er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Verwaltungsreform ein. Die Entbürokratisierungs-Offensive hängt seit August im Senatsausschuss fest. „Ich wäre da gern schneller vorangekommen. Aber man sieht, dass es da starke Widerstände gibt“, so der Reformer.